Der EC im Fokus: Stadion- und Trainerfrage, Winter-Derby-Review und der sportliche Status

– ECN-Geschäftsführer Andreas Ortwein steht Rede und Antwort –

Andreas, aktuell ist einiges im Umbruch, in den sozialen Medien werden viele Themen heiß diskutiert, daher Danke, dass du dir die Zeit nimmst, ein paar Themen zu erörtern.

AO: Sehr gerne, Transparenz ist uns wichtig, daher versuchen wir immer, wichtige Informationen zum Club so früh wie möglich zu kommunizieren.

Bleiben wir zunächst sportlich: Kürzlich haben einige Spieler den Club verlassen. Wie siehst du diese Kaderabgänge?

AO: Also, vorausschicken muss man, dass insbesondere zwei Spieler von sich aus auf uns zukamen, deren Wechselwünschen wir, nach Abstimmung mit unserem Trainer-Team, dann nicht im Weg stehen wollten. Als Club legen wir Wert auf charakterlich gute Jungs im Team, trotzdem laufen die Dinge manchmal sportlich nicht so, wie es sich beide Seiten vorstellen, dann ist ein „Tapetenwechsel“ tatsächlich sinnvoll. Über diese Transfers darf auch nicht vergessen werden, dass wir diese Saison schon insgesamt sieben Ausländer unter Vertrag hatten. Absehbar werden wir immer noch mit fünf Kontingentspielern in Richtung der Playoffs gehen, was unserem Trainer-Gespann einige Optionen lässt. Abgesehen davon haben wir zum Beispiel auch einen Mike Card nachverpflichtet oder zusätzliche Spieler wie Luis Üffing integriert – Kaderwechsel sind also insgesamt Liga-Alltag.

Aktuell treten also einige jüngere Spieler in die Fußstapfen gestandener Spieler, oder?

AO: Bei unseren Planungen sind wir grundsätzlich nicht nur kurz-, sondern auch mindestens mittelfristig ausgerichtet. In der Saison 2020/2021 reduziert die DEL2 die Ü24-Spielberechtigungen (zwei Ü24-Spieler werden reduziert) und führt verpflichtend den zweiten U21-Feldspieler ein. Also, wenn nicht schon jetzt, wann sollen wir Nachwuchsspielern dann das Vertrauen schenken und sehen, mit wem wir in Zukunft längerfristig erfolgreich arbeiten können? Und dieses Vertrauen, das wir ihnen entgegenbringen, zahlen sie doch seit Saisonbeginn bereits zurück.

Heißt das, die sportlichen Planungen sind abgeschlossen?

AO: Nein, nicht zwingend. Wenn wir am Markt die erforderliche Qualität zu einem bezahlbaren Preis bekommen, dann ergänzen wir den Kader zum Saisonende möglicherweise nochmals. Allerdings müssen wir uns auch die Frage stellen, warum wir unsere Jungs, die jetzt in 39 Spielen die Knochen hingehalten haben, in der Endphase auf die Reservebank setzen sollten, wenn der Markt nur Neuverpflichtungen mit einer ähnlichen Leistungsstärke hergibt? Kurz gesagt: Unser Team und auch die Trainer genießen das volle Vertrauen aller Verantwortlichen – Punkt.
Allerdings bedeutet das nicht, dass wir uns nicht intensiv austauschen und daran arbeiten, die aktuelle Schwächephase möglichst schnell hinter uns zu lassen. Man muss diese Situation aber auch mal so sehen: Wir würden nicht dort stehen, wo wir derzeit in der Tabelle stehen, wenn andere Teams in einer Saison nicht auch zeitweise in einer Formkrise wären.
Zach Hamill kehrt hoffentlich zeitnah zurück, daher können wir Tyler Fiddler noch ein bis zwei Wochen mehr Zeit geben, um 100%ig fit zu werden – es ging leider die letzten acht Tage nicht wie geplant. Sowas passiert. Aber wir sind in absehbarer Zeit dann wieder mit „voller Kapelle“ unterwegs.

Apropos Trainer: Christof Kreutzer geht in der nächsten Saison wieder in die DEL zurück. Inwieweit hat das Einfluss auf die aktuell Situation?

AO: Unseres Erachtens gar nicht. Wir hatten mit Christof in den letzten Monaten einen offenen, ehrlichen Dialog. Für ihn ergab sich die Chance auf einen Job in der DEL, der ihn reizt, dann muss er ihn auch annehmen. Mit diesem Anspruch ist er von Anfang an offen umgegangen. Diesen Wechsel totzuschweigen, hätte in unserer kleinen Eishockeywelt sowieso nicht funktioniert und entspricht auch nicht unserem Verständnis von Offenheit und Transparenz. Daher war die Veröffentlichung seiner Entscheidung absolut richtig und wichtig. Christof wird hier bis zum letzten Tag alles geben, er will maximal erfolgreich sein, das wissen wir und auch das Team.

Wird dadurch die aktuelle Planung für die kommende Saison beeinträchtigt?

AO: Nein, gar nicht. Wir haben sowieso schon Spieler an uns gebunden, sind in perspektivischen Gesprächen und stimmen uns im Kreis der sportlich Verantwortlichen weiterhin ab. Klar, bei einigen Schlüsselpositionen werden wir abwarten und diese Positionen erst in Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer besetzen. Aber wir sind jetzt noch sehr früh unterwegs und voll im Plan. Die Absprachen mit unserem DEL-Partner aus Köln laufen beispielsweise einfach weiter, denn darum kümmert sich sowieso Matthias Baldys. Natürlich wollen die aktuellen Spieler gerne wissen, wer in der kommenden Saison die Verantwortung an der Bande trägt, aber das ist in zehn von 14 DEL2-Clubs aktuell ebenfalls nicht klar. Also, kein ungewöhnlicher Zustand für Profi-Spieler, jeder muss so oder so Gas geben, um sich für eine Verpflichtung zu empfehlen.

Wie verläuft die Trainersuche?

AO: Uns erreichen sehr viele Bewerbungen aus dem In- und Ausland. Wir sondieren momentan mit der notwendigen Ruhe die Kandidaten, besprechen uns intern dazu regelmäßig, holen Infos ein und starten jetzt in den nächsten ein bis zwei Wochen – so denke ich mal – in konkrete Gespräche. Ein Enddatum, wann wir eine Entscheidung fällen, steht noch nicht fest. Wir haben auch keinen Druck, sondern wollen wohlüberlegt für Bad Nauheim die richtige Entscheidung treffen.
Das braucht Zeit – und die nehmen wir uns, ein bis zwei Wochen mehr haben in dieser Hinsicht erfahrungsgemäß keine wesentlichen Auswirkungen.

Auswirkungen“ ist ein gutes Stichwort: Was hat das DEL2-Winter-Derby – jetzt vier bis fünf Wochen nach dem Event – rückwirkend betrachtet für den Standort bewirkt?

AO: Wir haben mit der Durchführung dieser Groß-Veranstaltung in der Außenwirkung für unsere Stadt und den Club großen Respekt und Anerkennung bekommen. Es war mit Sicherheit eine Belastungsprobe für unser ganzes Geschäftsstellenteam – aber wir haben jetzt einen Platz in der Eishockey-Historie. Nicht viele Teams in Deutschland können von sich behaupten, so ein Spiel gemacht bzw. veranstaltet zu haben.

Neben der Imagefrage: Welchen wirtschaftlichen Erfolg hat das Spiel eingebracht?

AO: Final können wir das aktuell noch nicht sagen, weil die Fläche noch bis zum 30.12.2019 für öffentliche Eislaufzeiten zur Verfügung stand und erst danach abgebaut wurde. Die Stadionbetriebs-GmbH nutzte diese Zeit ebenfalls für weitere Veranstaltungen. Planmäßig erfolgte daher erst am Montag, den 13.01.2020 wieder die offizielle „Stadionschlüsselübergabe“ an den Betreiber. Jetzt werden noch entstandene Schäden begutachtet und bis Mitte Februar der Rasen ausgetauscht.
Erst dann, denke ich, haben wir bis Ende Februar/Anfang März von allen Dienstleistern die finalen Abrechnungen. Klar ist, dass die Wunschvorstellung eines mit rund 20.000 Zuschauern komplett ausverkauften Stadions aufgrund der Zurückhaltung der Gästefans nicht eingetroffen ist.

Hilft uns das Winter-Derby im Hinblick auf unsere Stadionthematik?

AO: Ja, absolut. Ich denke, die lokale als auch die überregionale Politik war von unseren Fans, dem Umfeld und dem Rahmenprogramm beeindruckt. Das Ausmaß und die Intensität dieser Unterstützung hat gezeigt, dass in unserem Umfeld deutlich mehr Potential steckt, als wir aktuell Woche für Woche in unserem leider in die Jahre gekommenen CKS sehen.

Wo stehen wir bei den Planungen und mit der Studie?

AO: Wir sind schon sehr weit – aber noch nicht so final, um damit in die politischen Gremien zu gehen oder die Öffentlichkeit zu informieren. Alle Beteiligten arbeiten akribisch, damit wir noch während der laufenden Saison erste Ergebnisse und die daraus resultierenden nächsten Schritte erörtern können. Aber es ist absolut richtig, damit erst nach außen zu gehen, wenn wir die Grundlage sehen so auch wirklich erfolgreich sein zu können. Ein Scheitern dieses Vorhabens bzw. eine nicht schnellstmögliche Umsetzung eines Stadionneubaus würde den Profi- und Nachwuchsstandort Bad Nauheim ernsthaft bedrohen.

Offene, klare Worte. Warum sieht der Club das so drastisch?

AO: Mit offenen Augen betrachte: Ende November ist der ECN nur drei Punkte von Tabellenplatz eins entfernt – trotzdem stehen wir mit „nur“ 1.800 Leuten im Stadion, weil u.a. beschlagene Scheiben den Blick auf die zusätzlich vernebelte Eisfläche behindern und es insgesamt an Komfort für die Zuschauer fehlt. Wir liegen – das Winter-Derby außen vorgelassen – obwohl wir erneut um einen Platz in den Top 6 mitspielen – bei den Zuschauerzahlen hinter unseren Planungen. Das ist ernüchternd für die Organisation und alle, die sich hier engagieren.
Wir brauchen so schnell es geht, Rahmenbedingungen, die DEL2-Eishockey in Bad Nauheim weiterhin ermöglichen und den Anforderungen der Liga entsprechen. Ich frage mich manchmal, wie lange und schnell wir in diesem „Hamsterrad“ noch rennen müssen, um Sport auf diesem Niveau finanziert zu bekommen. Dazu kann ich nur sagen, wir sind am absoluten Anschlag, deshalb kann ich nur jeden bitten, unterstützt euren ECN – zu jeder Zeit, ob als Fan oder Sponsor.

Andreas, danke für dein Statement. Gibt es noch etwas, was du zum Abschluss loswerden willst?

AO: Ja – ich möchte auf diesem Weg nochmal allen in meinem kleinen Team der Geschäftsstelle ausdrücklich „Danke“ für ihren unermüdlichen Einsatz sagen, gleichzeitig Tim Talhoff, der uns in den nächsten Tagen Richtung Freiburg verlässt, alles Gute wünschen und „Heimkehrer“ Dirk Schäfer bei uns willkommen heißen.

Und zum Sportlichen: Ich war selbst 20 Jahre lang Fan und weiß, dass das manchmal auch nicht einfach ist, die Emotionen hochkochen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir ein junges Team auf dem Eis stehen haben, das auch in Zeiten, wenn es nicht ganz rund läuft, unsere Unterstützung verdient, weil es diese Saison schon gezeigt hat, was in ihm steckt. Und jeder darf gewiss sein, dass unsere sportlich Verantwortlichen immer im Blick haben, was gut und was aktuell nicht so gut läuft – und daran arbeiten.

Andreas, Danke! Unserem Team viel Erfolg in den nächsten Wochen und insbesondere auch dir ein sicheres Händchen bei den anstehenden, richtungsweisenden Entscheidungen.