Jerry Pollastrone über Sidney Crosby, „Fog Games” und die Boston Bruins

Im elften Europa-Jahr. Jerry Pollastrone, geboren in Revere, Massachusetts, wechselte 2012 aus den Vereinigten Staaten zu den Friesland Flyers in die Niederlande. Über die Stationen Dundee, Mora, Bozen, Wien und Villach ist der 36-jährige US-Amerikaner in der mittelhessischen Kurstadt gelandet. Der Stürmer holte 2003 den „Hlinka-Gretzky-Cup“ – seinerzeit das erste Mal, dass die USA den renommierten Wettbewerb für U18-Nationalmannschaften gewannen. 2017 triumphierte er mit den Vienna Capitals in der multinationalen Erste Bank Eishockey Liga (EBEL) und wurde österreichischer Meister. Im Interview spricht unsere #36 über den Stellenwert dieser Titel, die Champions Hockey League, Sydney Crosby und „Fog Games“ im Colonel-Knight-Stadion.

Jerry, Du hast in Europa bereits in den Niederlanden, Schottland, Schweden, Italien, Österreich und Deutschland gespielt. Wo war es am schönsten?
Jerry Pollastrone: Überall war es schön. Jeder Ort hat seine kulturellen Besonderheiten. Meine erste Station waren die Niederlande, dann Mora in Schweden, ein kleines Dorf mit viel Schnee. In Schottland haben alle Englisch gesprochen, das war etwas anderes. Die längste Zeit haben wir in Österreich verbracht. Dort wurde meine Tochter Ayla geboren. Villach und Bad Nauheim sind wunderbare Städte mit netten Menschen. Wirklich schwierig, da etwas hervorzuheben.

In Wien hast Du 2017 gemeinsam mit Taylor Vause und Ex-Teufel Kelsey Tessier die österreichische Meisterschaft gewonnen. Welchen Stellenwert hat dieser Titel in Deiner Vita?
Jerry Pollastrone: Eine spezielle Erfahrung. Wir hatten eine tolle Truppe, die sich strikt ans System gehalten hat. Jeder hat sich für das Team aufgeopfert und persönlich zurückgesteckt. Das zeigt, was man braucht, um eine Meisterschaft zu gewinnen, egal, auf welchem Niveau.

Nach Deiner Universitätszeit warst Du für Las Vegas und South Carolina in der US-Profi-Liga ECHL auf dem Eis. Warum fiel 2012 Deine Wahl auf die Friesland Flyers in den Niederlanden?
Jerry Pollastrone: Nach drei Jahren am College hatte ich mit Verletzungen zu kämpfen – an der Schulter, am Handgelenk und wieder an der Schulter. Über einen europäischen Agenten habe ich versucht, hier unterzukommen. Egal, ob Vertrag oder Tryout. Aber es gab zunächst keine Möglichkeit. Einige Freunde, unter anderem Kevin Kapstad, der in Riessersee und Landshut spielte und mit dem ich aufgewachsen bin, haben mir den Ratschlag gegeben, so schnell wir möglich nach Europa zu gehen, um mir hier einen Namen zu machen. Dann kam das Angebot aus den Niederladen, und ich habe es angenommen.

Wie charakterisierst Du die Qualitätsunterschiede in den verschiedenen europäischen Ligen?
Jerry Pollastrone: Bei den Friesland Flyers in der BeNe-League war es sicherlich das niedrigste Niveau. Jede Liga ist anders. In Schweden liegt der Fokus stark auf der Defensive. Da gibt es kaum ‚odd-man-rushes‘. In Österreich, bei meinen Clubs in der ehemaligen Erste Bank Eishockey Liga, war man auch defensiv orientiert, aber nicht so extrem wie in Schweden. Die EBEL war vielleicht ein bisschen besser als die zweite schwedische Liga. Aber das ist schwer zu vergleichen, weil es eben doch unterschiedlich ist.

Mit den Vienna Capitals hast Du in der Champions Hockey League gespielt. Was ist da in Erinnerung geblieben?
Jerry Pollastrone: Eine gute Erfahrung, sich gegen Top-Clubs aus Schweden, Finnland, Tschechien oder der Schweiz zu messen. Das Auswärtsspiel bei Neman Grodno war eine interessante Reise nach Weißrussland. Es hat riesigen Spaß gemacht gegen Teams anzutreten, gegen die man sonst nie gespielt hätte.

In der vergangenen Spielzeit hat der EC das DEL2-Halbfinale erreicht. Wie lautet die Zielsetzung für die nächsten Wochen?
Jerry Pollastrone: Viele Leute haben nicht mit dem Halbfinale gerechnet. In der Mannschaft glaubten wir immer daran. Wir sind zum großen Teil zusammengeblieben und haben uns gut ergänzt. Es ist eine super Gruppe. Der Teamerfolg ist wichtiger als die individuellen Statistiken. Wenn wir unser Spiel durchziehen, können wir viel erreichen.

Welche Faktoren waren für Dich im Sommer entscheidend, deinen Vertrag zu verlängern?
Jerry Pollastrone: Uns gefällt die Stadt. Es gibt viele freundliche Menschen, wir genießen es hier. Ich liebe es, für Harry Lange zu spielen und dann ist da der große Faktor, dass vom letztjährigen Kader viele Spieler geblieben sind. Der komplette Club – die Verantwortlichen, die Geschäftsstellenmitarbeiter, Sponsoren und Fans – machen es leicht für meine Familie, in einem fremden Land zurecht zu kommen und sich wohlzufühlen.

Was zeichnet die Mannschaft des EC Bad Nauheim aus? Wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Jerry Pollastrone: Wir sind nicht der Club mit dem höchsten Budget, das hat sowohl positive als auch negative Aspekte. Man bekommt wahrscheinlich nicht die top bezahlten Spieler. Vielleicht schweißt das die Mannschaft noch mehr zusammen. Das Stadion, Funktionsgebäude, Kabine und Fitnessraum sind nicht auf dem modernsten Level. Das sind Kleinigkeiten, die mich selbst nicht so stören und die uns näher zusammenrücken lassen. Was kann besser werden? Das Stadion: Man weiß, wenn es draußen regnet und milde Temperaturen herrschen, dass es neblig sein wird. Es kann zwar ein Vorteil sein, weil wir es kennen und die Gegner nicht unbedingt damit rechnen. Aber optimal sind die ‚Fog Games‘ natürlich nicht.

Gab es auch „Nebelspiele“ bei Deinen vorherigen Stationen?
Jerry Pollastrone (lacht): Nein. Aber mit den Friesland Flyers spielten wir in Belgien, in Herentals. Über der Eisfläche war ein kleines Dach, die Seiten komplett offen, daher gab es keinen Nebel. Das Areal war angebunden an eine Basketball-Halle – ein komisches Setup.

Welche Stärken zeichnen Dich aus und wie charakterisierst Du deine Spielweise?
Jerry Pollastrone: Erfahrung, solide Defensivarbeit, offensive Kreativität. Ich versuche immer, auf der richtigen Seite zum Puck zu sein, weil ich nicht gerne spekuliere. In den Ecken gilt es, sich durchzusetzen und Räume sowie Zeit für die Mitspieler zu schaffen, damit sie sich freilaufen und positionieren können.

Warum wurdest Du ein Eishockey-Profi?
Jerry Pollastrone: Mit drei oder vier Jahren stand ich schon auf Schlittschuhen. Ich habe früher auch American Football, Baseball und Soccer gespielt, aber von Anfang an war es mein Wunsch, Profi zu werden und es in die NHL zu schaffen. Eishockey ist der beste Sport der Welt. Ich bin froh und dankbar, schon so lange professionell in Europa zu spielen. Es ist ein Privileg, das Hobby zum Beruf zu machen.

Dein Weg begann in einem Internat, der Salisbury School …
Jerry Pollastrone: Ja, in Connecticut. Meine Eltern haben empfohlen, das zu machen. Mir hat es gefallen. Es war eine gute Grundlage für die Eishockey-Laufbahn und die Schule auch akademisch auf einem guten Level. An der University of New Hampshire habe ich anschließend meinen Studienabschluss in Politikwissenschaft gemacht.

Gab es ein Vorbild in Deiner Jugendzeit?
Jerry Pollastrone: Die Boston Bruins sind das Top-Team in unserer Region. Ich habe die Spiele des Teams um Ray Bourque, Adam Oates, Cam Neely immer verfolgt.

Wer war Dein außergewöhnlichster Coach?
Jerry Pollastrone: Mit dem System von Serge Aubin bei den Vienna Capitals kam ich sehr gut klar. Großen Respekt zolle ich Harry Lange. Er kennt sich aus und wird auf jeden Fall einen langen und erfolgreichen Weg als Head Coach gehen. Trotzdem bleibt er auf dem Boden, und man kann sich ganz normal mit ihm unterhalten.

Deine außergewöhnlichsten Mitspieler?
Jerry Pollastrone: Taylor Vause und Kevin Schmidt. Taylor kenne ich sehr lange. Wir haben in Bozen, Wien und Bad Nauheim zusammengespielt, mit Kevin in Villach.

Dein bester Gegenspieler?

Jerry Pollastrone: Sidney Crosby. Das war 2003 beim U18-Hlinka-Gretzky-Cup in der Slowakei. Die USA haben damals zum ersten Mal dieses Turnier gewonnen. Im Halbfinale schlugen wir Team Canada, im Finale besiegten wir die Russen. Crosby spielte als junges Talent schon beim älteren Jahrgang mit. Er war überragend.

Dein härtester Gegenspieler?
Jerry Pollastrone: Mit Villach gegen Matt Pelech von den Graz 99ers, ein großer Verteidiger mit enormer Präsenz. Sein Bruder Adam Pelech spielt für die New York Islanders in der NHL.

Was stufst du bisher als Deine größten sportlichen Erfolge ein?
Jerry Pollastrone: Die österreichische Meisterschaft mit Wien und der Titelgewinn mit Team USA beim „U18-Hlinka Gretzky-Cup“.

Du kannst auch gut mit dem Golf-Schläger umgehen …
Jerry Pollastrone: Mein Handicap liegt bei 8. Während der Saison fehlt etwas die Zeit dafür. Meine Frau Krista hat mit Tennis angefangen, das ist ebenfalls ein schöner Sport.

Wo verbringt Familie Pollastrone bevorzugt den Urlaub?
Jerry Pollastrone: In der Deutschland-Cup-Pause haben wir gemeinsam mit Jessie und Jordan Hickmott eine Reise nach Rom unternommen. Das hat uns sehr gut gefallen. Im Sommer sind wir in der Regel erstmal zuhause in New Hampshire. Den Urlaub verbringen wir gerne an Floridas Westküste, in der Gegend um Naples und Fort Myers. Ganz in der Nähe von Kevin Schmidts Haus.

 

Foto: Chuc.de