Do or die? Enjoy the game!
Ausverkauft. In 32 Minuten. So schnell ging es noch nie und wäre technisch wahrscheinlich auch gar nicht möglich. Dass die sechste Playoff-Partie zwischen den Roten Teufeln und den Kassel Huskies an diesem Ostermontag vor vollem Haus stattfindet, ja, das war zu erwarten. Aber dieser Ansturm, diese Begeisterung, diese Euphorie, diese Leidenschaft, dieses Herzblut, das unseren Verein so besonders macht, ist außerordentlich. Gefühlt hätten wir am gestrigen Ostersonntag das legendäre Colonel-Knight-Stadion noch zwei- oder dreimal füllen können, bis auf den allerletzten Platz. Auch nach der Meldung „AUSVERKAUFT“ flogen die Anfragen im Minuten-Takt in die Posteingänge. Das Telefon bimmelte pausenlos. Es ist wirklich schade, dass so viele nicht dabei sein können in diesem ungleichen Duell, das nun am Ostermontag oder eben am Mittwoch in Kassel entschieden wird.
Ungleiches Duell? Ja! „Do or die“! So haben die geschätzten Kollegen der Kasseler Presseabteilung die Vorschau auf das Spiel Nummer fünf begonnen. Drei Worte, die ausdrücken, unter welchem Druck die Huskies am Samstag standen. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Huskies haben die wahrscheinlich am besten besetzte Mannschaft zusammen gestellt, die jemals in der zehnjährigen Geschichte der DEL2 ins Rennen ging. In der Hauptrunde spielten die Nordhessen mit diesem unglaublichen Kader in einer eigenen Liga.
Zahlen lügen nicht. 38 Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten. 49 Zähler mehr als unser Team. Nur fünf Niederlagen in 52 Hauptrundenspielen, danach folgte ein 4:0-Sweep im Viertelfinale gegen die Lausitzer Füchse. Wie ernst der Souverän der Liga die Mission Aufstieg nimmt, das wurde deutlich, als das Team mit einem privat gecharterten Flugzeug nach Görlitz flog. Dort wartete der Mannschaftsbus und chauffierte die Cracks ins 55 Kilometer entferne Weißwasser.
Nichts, aber auch gar nichts wird dem Zufall überlassen auf dem Weg zurück in die Erstklassigkeit, und leisten können sich die Huskies das allemal. Möglich macht das Gesellschafter Paul Sinizin, der selbst Eishockey in der Kasseler Hobbymannschaft „Eightyniners“ spielt und mit seinem großartigen wie großzügigen finanziellen Engagement nicht nur die Halle auf Vordermann brachte. Auch der Kader, für DEL2-Verhältnisse erstklassig bestückt, wäre ohne Sinizins Unterstützung nicht möglich. Wie sehr die Huskies auf „Nummer sicher“ gehen, verdeutlicht die Torwartposition. Weil Philipp Maurer, einer von fünf ehemaligen Nauheimern, lange verletzt war, verpflichteten die Huskies Mitte Januar mit Kristian Hufsky einen vierten Keeper.
Wenn die Huskies komplett sind, müssen vier Spieler aus dem Kader gestrichen werden, dazu ein Torhüter, wenn drei Keeper (wie am Ostersamstag) auf dem Spielberichtsbogen stehen. Mehr geht nicht.
Und dennoch: Am Samstag war das schmucke Stadion im Auepark nicht ausverkauft. Und in der Serie führen unsere Roten Teufel mit 3:2. Die Mannschaft um Kapitän Marc El-Sayed hat nach der Niederlage im ersten Match (3:6) drei Spiele in Folge gewonnen und ist das einzige Team, das es in dieser Saison geschafft hat (beim 1:0 am vergangenen Donnerstag), dass die Nordhessen ohne eigenes Tor blieben. Keine Frage, hätte jemand vor dieser Serie diese Resultate und dieses Zwischenresultat prognostiziert, jeder Nauheimer hätte jubiliert. Das große Ziel, eben nicht in vier Spielen gegen den auf dem Papier übermächtigen Gegner auszuscheiden und möglicherweise sogar ein drittes Heimspiel zu erreichen? Ein Traum.
Ein Traum, der Wirklichkeit wurde. Mehr noch: Das Team mit dem kongenialen Trainer-Duo Harry Lange und Adam Mitchell versetzt den Verein, das Umfeld und die Wetterau in einen emotionalen Ausnahmezustand. Das ist mitnichten ein Zufall und keinesfalls eine Momentaufnahme. Seitdem Lange der Banden-Chef ist, beschert diese Truppe wieder und wieder Gänsehaut-Momente. Es gehört dazu, dass ein Verein, der in der Tabelle des Spieleretats einen mittleren Platz in der Liga einnimmt, auch mal Durststrecken hat. So gesehen Ende Dezember und Anfang des Jahres. Doch das Publikum in Bad Nauheim ist erfahren und spürt: Diese Mannschaft gibt immer alles. Daher wird auch nach Niederlagen minutenlang mit Inbrunst gesungen. Diese Fans lassen die Mannschaft nicht im Stich, weil sich die Fans in Bad Nauheim mit dieser Mannschaft nie alleine gelassen fühlen. Identifikation pur.
Nun also kommt es an diesem Ostermontag im CKS zum sechsten Aufeinandertreffen innerhalb von nur elf Tagen. Eine unglaubliche körperliche und mentale Belastung für alle Akteure. Die Roten Teufel könnten mit einem Sieg ins Finale einziehen. Aber den Druck, den hat Kassel. Alles andere als ein Aufstieg wäre eine riesige Enttäuschung: „Do or die“.
Für den EC und seine Fans gilt nach diesen fantastischen Playoff-Wochen ein anderes Motto: „Enjoy the game“.
Foto: Chuc.de