Ein 42-Sekunden-Wahnsinn – und wieder trifft Taylor Vause in der Overtime

Elf Tore, ein 42-Sekunden-Wahnsinn im Mitteldrittel, als die Roten Teufel einen 1:3-Rückstand in eine 4:3-Führung drehten, drei Gegentreffer in Unterzahl und ein spektakulärer 6:5 (0:1, 4:2, 1:2/1:0)-Auswärtssieg nach Verlängerung in der Freiburger „Echte Helden Arena“. Unglaublich – einmal mehr war es Taylor Vause, der in der Overtime zum Matchwinner des EC Bad Nauheim avancierte. Vor rund 50 aus der Wetterau mitgereisten Fans unter den 2113 Zuschauern erzielten neben Doppelpacker Vause noch Jordan Hickmott, Fabian Herrmann, Daniel Weiß und Kevin Orendorz – an seiner letztjährigen Wirkungsstätte – die weiteren Tore der Kurstädter.

„Ein verrücktes Spiel, in dem mehrmals das Momentum wechselte. Unser Unterzahlspiel war heute nicht gut, aber ich bin froh, dass wir einen Weg gefunden haben, um zu punkten“, freute sich EC-Trainer Harry Lange nach dem Fünf-Punkte-Wochenende, das die Rot-Weißen auf den achten Tabellenplatz gespült hat. Keine Erklärung „für den 42-sekündigen Blackout“ fand ein sichtlich enttäuschter EHC-Coach Timo Saarikoski, „das ging so schnell und da haben wir das Momentum verloren.“

Für die Freiburger stand der Retro-Spieltag unter dem Motto „20 Jahre Aufstieg in die DEL“. Im April 2003 glückte den Breisgauern durch den Serienerfolg im Finale gegen den SC Riessersee der Sprung in die Beletage. Außerdem ehrte der EHC seinen langjährigen Profi Marc Wittfoth mit der Aufnahme in die Hall of Fame und einer Zeremonie, bei der sein Trikot mit der Numer 43 unter das Dach der „Echte Helden-Arena“ gezogen wurde. 547 Spiele (284 Scorerpunkte) hat der Jubilar in elf Jahren für die Wölfe, mit denen er 2015 in die DEL2 aufgestiegen war, absolviert.

Im Aufgebot der Südbadener fehlten die beiden Langzeitverletzten Patrik Cerveny und Lennart Otten (beide Kreuzbandrisse), Alex und Jesse Roach sowie Shawn O’Donnell. Nicht dabei bei den Gästen: Der verletzte Julian Lautenschlager (im Aufbautraining) und Håkon Hänelt (zurück in Köln, beim 3:6 in Frankfurt nicht im DEL-Kader der Haie).

Unser Team begann in der Aufstellung, die am Freitag beim 5:1 über die Bietigheim Steelers für den ersten Heim-Dreier gesorgt hatte. Wölfe-Coach Timo Saarikoski veränderte die Angriffsreihen, um neue Impulse in der Offensive zu setzen. Gleich dreimal mussten die Roten Teufel im ersten Durchgang in Unterzahl agieren. Zweimal funktionierte das Penaltykilling, weil EC-Torwart Niklas Lunemann immer aufmerksam zur Stelle war.

Aller guten Dinge sind drei – das Sprichwort bewahrheitete sich beim nächsten Powerplay für den EHC. Simon Danner erkämpfte die Scheibe im Nauheimer Drittel, leitete weiter zu Parker Bowles, der von hinter dem Tor geschickt zu Ludwig Nirschl passte. Der Neuzugang von den Tölzer Löwen sorgte – gekonnt freigespielt – für den Führungstreffer (16. Minute) der Hausherren. Die Chance zur direkten Antwort vergab Taylor Vause (17.), Wölfe-Keeper Luis Benzing parierte mit dem Schoner.

Elanvoll kamen die Gäste aus der Kabine. Mit Speed drang Tim Coffman in die Angriffzone ein, passte zu Kevin Orendorz, der vielleicht einen Tick zu lange verzögerte und Benzing konnte im letzten Moment abwehren. Sekunden später war es so weit. Kevin Schmidts perfektes Zuspiel aus der eigenen Defensivzone landete bei Vause, der alleine auf den Kasten zusteuerte, Benzing mit der Rückhand verlud. Der Puck zappelte zum Ausgleich im Netz (22.).

Die Freude der Rot-Weißen währte nicht lange. Verteidiger Marcus Gretz zog ab, Nikolas Linsenmaier fischte das Spielgerät mit dem Handschuh aus der Luft und brachte noch den Schläger an die Scheibe. Die erneute Wölfe-Führung (25.), bestätigt durch den anschließenden Videobeweis. Den Vorsprung bauten die Freiburger nach einem kapitalen EC-Turnover auf zwei Tore aus, Konstantin Bongers (29.) war der glückliche Nutznießer.

Dann ging alles blitzschnell: Innerhalb von sage und schreibe 42 Sekunden (!) schnürten die Kurstädter einen Dreierpack – und lagen urplötzlich selbst in Front. In Minute 36 drehten Jordan Hickmott (aus eigentlich ungünstiger Schussposition), Fabian Herrmann mit einem großartigen Solo und Daniel Weiß, der Marc El-Sayeds Versuch von der blauen Linie brillant abfälschte, das Resultat komplett – der Wahnsinn. Im ersten Powerplay hätten die Lange-Schützlinge im Anschluss sogar noch nachlegen können, aber das harmlose Überzahlspiel verpuffte wirkungslos.

Eine bayerische Boxeinlage zwischen Alexander Dersch und Nirschl läutete Runde drei ein. Beide Streithähne wanderten zum Abkühlen für zwei Minuten auf die Strafbank. Als Daniel Weiß mit einer 2+2-Minuten-Strafe sanktioniert wurde, erzielten die Gastgeber den 4:4-Gleichstand. Der Toschütze hieß Christian Billich (47.). Nach toller Coffman-Vorarbeit war ausgerechnet Orendorz (56.), der Ex-Freiburger, mit seinem dritten Treffer am Wochenende zur Stelle. Wieder führte der EC, wieder sollte der Vorsprung nicht reichen. Mit dem dritten Powerplay-Tor markierte Calvin Pokorny (58.) den 5:5-Stand nach 60 Minuten.

Wie schon im ersten Vergleich, als die Baden-Württemberger mit einem 6:5 nach Verlängerung die Heimreise aus dem Colonel-Knight-Stadion antraten, ging es erneut in die Overtime. Diesmal hatte der EC das glücklichere Ende auf seiner Seite. Niemand anderes als Taylor Vause (62.) entschied den x-ten Saison-Krimi für die Roten Teufel, die zwei hart erkämpfte Punkte mit in die Wetterau nahmen.


EHC Freiburg: Benzing – Ventelä, Neher, De Los Rios, Pokorny, Wachter, Gretz – Bowles, Linsenmaier, Nirschl, Hahn, Master, Billich, Buchner, Klos, Makuzki, Bongers, Danner, Hon.

Trainer: Timo Saarikoski.

EC Bad Nauheim: Lunemann – Kevin Schmidt, Fischer, Seifert, Dersch, Erk, Aichinger, Hafenrichter – Pollastrone, Vause, Herrmann, Orendorz, Coffman, Hickmott, Lillich, El-Sayed, Körner, Steck, Weiß, Reiner.

Trainer: Harry Lange.

Tore: 1:0 (15:08) Nirschl (Bowles, Danner – 5:4), 1:1 (21:55) Vause (Schmidt), 2:1 (24:42) Linsenmaier (Gretz, Nirschl), 3:1 (28:54) Bongers (Danner, Hon), 3:2 (35:18) Hickmott (Orendorz, Coffman), 3:3 (35:37) Herrmann, 3:4 (36:00) Weiß (El-Sayed, Dersch), 4:4 (46:25) Billich (Ventelä, Hahn – 5:4), 4:5 (55:41) Orendorz (Coffman), 5:5 (57:24) Pokorny (Ventelä, Master – 5:4), 5:6 (61:26) Vause (Orendorz – 3:3/OT).

Schiedsrichter: Brill/Kapzan. – Linienrichter: Menz/Pfeifer.

Strafminuten: Freiburg 4, Bad Nauheim 14.

Zuschauer: 2113.

Schüsse: 29:23.