Im Interview: Harry Lange über Fans, Charakter und zwei „Neuzugänge“

Jetzt geht es los, die zweithöchste deutsche Spielklasse startet in die Saison 2021/22. Endlich wieder mit Zuschauern. Unser Team beginnt mit zwei Heimspielen. Eigentlich hatte der Spielplan zum Auftakt das Auswärtsspiel in Landshut vorgesehen, doch dort wird die Halle umgebaut. So erwarten die Roten Teufel am Freitagabend um 19:30 Uhr die Niederbayern, und am Sonntag (18:30 Uhr) gastieren die Lausitzer Füchse im Colonel-Knight-Stadion. Wir haben mit Trainer Harry Lange gesprochen.

Harry, bist Du nervös vor dem Start?

Harry: Nervös ist der falsche Ausdruck, eher angespannt. Aber das ist normal. Ich freue mich sehr, dass es los geht. Testspiele sind gut und notwendig, aber das ist eher ein Vorgeplänkel. Wenn es um Punkte geht, herrscht eine andere Atmosphäre. Es kribbelt halt.

Wie beurteilst Du die Vorbereitung?

Harry: Es war sehr wichtig, dass wir ins Trainingslager nach Villach fahren konnten. Wir haben aus den bekannten Gründen einige neue Spieler verpflichtet. Da ist es ein gewaltiges Plus, wenn man sich in einem siebentägigen Trainingslager kennen lernt. Auf dem Eis, in der Kabine, bei den Mahlzeiten, in der Freizeit. Wir haben in Villach beste Bedingungen gehabt, die Truppe hat überragend mitgezogen. Genau so haben wir uns das vorgestellt. Am Ende einer intensiven Woche haben wir dann gegen zwei starke Teams, Villach und Linz, hervorragend mitgehalten.

In den Testspielen gab es Licht und Schatten. Wie sehr haben Dich die Niederlagen gegen die Oberligisten Regensburg und Limburg geärgert?

Harry: Mich ärgert jede Niederlage. Aber klar ist auch, dass Regensburg eine gewachsene Mannschaft hat, die immerhin in der letzten Saison erst im Halbfinale aus den Playoffs geflogen ist. Und Limburg, das war halt so ein typisches Duell zweier Nachbarn. In Limburg spielen einige Jungs, die schon hier in Bad Nauheim waren oder hier aufgewachsen sind. Für diese Spieler war das natürlich etwas ganz Besonderes. Dann hat Jan Guryca, wir hatten es schon geahnt, einen Sahnetag. Am Ende hatten wir ein unglaubliches Schussverhältnis, aber das bringt nichts, wenn du die Chancen nicht nutzt. Und wir hatten wirklich genügend Chancen. Dass diese Niederlage gewurmt hat, ist sonnenklar. Aber wir sind danach in den Rhythmus gekommen. In Selb haben wir im ersten Drittel so gespielt, wie wir uns das vorstellen. Schnell durch das Mitteldrittel, Zug zum Tor. Und das hat man ja auch dann im letzten Test gegen Kassel gesehen. Wir haben uns von Spiel zu Spiel gesteigert, die Ergebnisse waren eher zweitrangig. Aber, ich betone das noch einmal, jede Niederlage ärgert mich und auch unsere Spieler.

Du hast erstmals hauptverantwortlich einen Kader zusammengestellt. Was war Dir dabei wichtig, worauf hast Du besonders geachtet?
Harry: Zwei Dinge: Die Jungs müssen schnell auf den Schlittschuhen sein und charakterlich passen. Bestenfalls – und das ist uns gelungen – sind das obendrein Spieler, die schon mal einen Titel gewonnen haben, denn diese wissen, wie sie mit Hochs und Tiefs einer Saison umgehen müssen. Zudem sind wir etwas breiter aufgestellt, um nicht mehr in diesem Maße von unserem Kooperationspartner abhängig zu sein. Dass der Austausch während der Vorbereitung auf Grund von Verletzungen in Köln nicht zustande kam, wie wir uns das erhofft hatten, war nicht vorhersehbar. Aber wir haben jetzt neben Maurer auch Glötzl, Sennhenn und Üffing lizenziert und wünschen uns, dass wir, wenn es die Situation in Köln erlaubt, den einen oder anderen hier begrüßen dürfen.

Und wir haben ja quasi noch zwei Neuzugänge mit Marc El-Sayed und Patrick Seifert.

Harry: Das stimmt. Drücken wir die Daumen, dass die beiden bald zurück kommen. Das sind sehr erfahrene und wichtige Spieler. Beide arbeiten hart an ihrem Comeback.

Wir haben vier neue Kontingentspieler. Nach welchen Kriterien wurden die Jungs verpflichtet?

Harry: Hugo (Co-Trainer Boisvert) und ich haben genau recherchiert. Wir haben mit Trainern gesprochen, denen wir vertrauen. Wir haben nicht nur nach Statistiken geschaut, sondern wollten auch wissen: wie verhält sich der Spieler in der Kabine, kann er in einem engen Spiel zulegen, ist er ein Teamplayer? Und so haben wir dann einen nach dem anderen geholt. Wir haben natürlich auch mit den Jungs gesprochen. Wir haben ihnen den Standort schmackhaft gemacht. Bad Nauheim ist eine lebenswerte Stadt mit einer großartigen Eishockey-Tradition. Wir haben unsere Philosophie erklärt. Und dann haben wir uns entschieden. Ich bin optimistisch, dass Taylor Vause, Jordan Hickmott, Jerry Pollastrone und Tristan Keck die Erwartungen erfüllen werden. Die Jungs sind hoch motiviert.

Als einer der ersten Neuzugänge stand Kevin Schmidt fest. Du wolltest ihn unbedingt, richtig?

Harry: Ja, das ist korrekt. Kevin hat einen deutschen Pass. Ich wusste, wenn wir ihn bekommen, dann können wir im Angriff vier Kontingentspieler holen. Das war der Plan. Kevin ist großartig. Ein Vorbild im Training, in der Kabine, auf dem Eis.

Du hast Dir in den vergangenen neun Jahren bei den Fans sehr viel Kredit erarbeitet. Macht dies die Aufgabe leichter oder schwerer?
Harry: Das macht’s definitiv schwerer. Das Standing bei den Fans habe ich nicht geschenkt bekommen, sondern mir aufgebaut. Jetzt aber bin ich in einer anderen Position, in der ich neu bin und noch nichts erreicht habe. Ich gebe mein Bestes, darauf kann sich jeder verlassen. Und natürlich will ich lange in Bad Nauheim bleiben, aber ich kenne auch die Mechanismen, wenn es einmal nicht so läuft. Ich weiß: Das Team hat den richtigen Charakter. Ob das am Ende reicht, ist von vielen Faktoren abhängig.

Worauf freust Du Dich am meisten?

Harry: Auch wenn das jeder sagt, aber ich wiederhole das gerne: auf die Fans. In dieser komischen Corona-Zeit haben wir so viel Zuspruch erfahren dürfen. Fans haben uns Mails geschickt, über Nacht Banner ins Stadion gehängt. Manche standen bei Wind und Wetter oben am Zaun und haben von dort aus maximal ein Drittel der Eisfläche gesehen. Wahnsinn. Es ist so schön, dass wir jetzt wieder schrittweise zur Normalität zurück kehren können. Und die Fans in Bad Nauheim sind nun mal sehr laut und stehen hinter der Mannschaft. Das hilft sehr.