Kevin Schmidt: Der Quarterback bleibt!

​Dieser Sommer wird anders. Normalerweise verbringt Kevin Schmidt mit Ehefrau Autumn und den Kindern Isabella (6 Jahre), Sloane (4) sowie Harry (1) die eishockeyfreie Zeit in Bonita Springs, einer Kleinstadt an der Westküste Floridas. „Dieses Mal bleiben wir aber hier“, sagt der Familienvater, der seinen Vertrag verlängert hat und in die dritte Saison beim EC Bad Nauheim gehen wird. Der 37-jährige Deutsch-Kanadier ist der Strippenzieher im Aufbauspiel, der Quarterback im Powerplay der Roten Teufel.  Zum zweiten Mal in Folge gelang der direkte Einzug in die DEL2-Playoffs. Der Offensivverteidiger will in der aktuellen Runde noch bis Ende April auf dem Eis stehen und glaubt, dass die Mannschaft ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft hat. Anfang November setzte eine Knieoperation den „DEL2-Verteidiger der Saison 2021/22“ für mehr als anderthalb Monate außer Gefecht. Im Interview mit Holger Hess spricht Kevin Schmidt über seine Vertragsverlängerung, die Verletzung, die anstehenden Playoffs, warum er dem EC die Treue hält und mit welchem Stanley-Cup-Champion er einst zusammenspielte.

Kevin, wunderbar, dass Du ein weiteres Jahr das EC-Trikot mit der Nummer 4 tragen wirst. Was war für Dich ausschlaggebend, einen neuen Vertrag zu unterschreiben?
„Es passt alles. Uns gefällt es in Bad Nauheim sehr gut. Ich verspüre Loyalität und Respekt für den Club. Die Frage war nicht, ob ich noch einmal woanders hingehe, sondern ob ich noch ein Jahr hier weitermache. Wir bleiben in der Sommerpause in Bad Nauheim, wollen die Stadt genießen und andere Regionen in Deutschland und Europa besuchen. Paris steht auf jeden Fall auf der Liste.

Wie lange wird in diesem Frühjahr in Bad Nauheim Eishockey gespielt? Welchen Weg traust Du der Mannschaft zu?
Ich hoffe, bis Ende April. Ich denke, dass wir es schaffen können. Unser volles Potenzial haben wir noch nicht ausgeschöpft.

Du bist einer der Team-Leader. Wie charakterisierst Du Deine Rolle im System von Trainer Harry Lange?
Natürlich muss man als Verteidiger primär die Defensivaufgaben lösen. Ich bewege den Puck gerne nach vorne und kreiere Offensivaktionen. Der Begriff Quarterback passt am ehesten zu meinem Job im Powerplay.

Was waren 2021 die entscheidenden Faktoren für Deine Entscheidung, nach Bad Nauheim zu kommen?
Wahrscheinlich war es das perfekte Timing. Das Angebot kam früh genug, ich konnte mir das auch mit der Familie reiflich überlegen. Die Gespräche mit ehemaligen Teamkollegen wie Cody und Dustin Sylvester, die auch in Bad Nauheim waren, sowie der Austausch mit Harry Lange haben mir ein gutes Gefühl gegeben.

Was zeichnet aus Deiner Sicht die Roten Teufel aus? Wo siehst Du Optimierungspotenzial?
(lacht) Eine neue Arena wäre schön. Die Organisation strahlt viel Familiäres aus. Alle Mitarbeiter sind sehr motiviert und wir glauben gemeinsam an das, was wir machen. Es gibt immer Dinge, die man optimieren kann. Ein Element ist, unser Spiel besser zu managen, wenn es mal nicht läuft wie gewünscht. Dann müssen wir das Momentum schneller zurückgewinnen. Und natürlich die Special Teams: Im Powerplay sollten wir öfter treffen, das Penalty-Killing muss besser werden.

Das Budget in Bad Nauheim ist begrenzt. Wie kann es der EC erneut schaffen, die vermeintlichen Favoriten zu ärgern?
Unser Vorteil ist: Einer setzt sich für den anderen ein. Wir haben gute Charaktere in der Kabine und den Willen und Entschlossenheit, die Spiele zu gewinnen. Es gibt kein spezielles Rezept. Wir müssen die einfachen Dinge sehr gut machen, was über eine ganze Saison gesehen nicht immer einfach ist.

Du hast Dich Ende Oktober im Spiel gegen Ravensburg am Knie verletzt und dadurch 14 Spiele verpasst. Wie geht es Dir heute? Ist die Verletzung vollständig auskuriert?
Mittlerweile ja. Als ich wieder aufs Eis zurückgekehrt bin, war die Verletzung noch nicht komplett verheilt, aber das Knie und die Muskulatur wurden mit jedem Training, mit jedem Match stabiler.

Wie lange hast Du benötigt, um wieder das Leistungslevel wie vor der Verletzung zu erreichen?
Schwer zu sagen. Die ersten Matches ist man bei 80 oder 85 Prozent, dann geht es Schritt für Schritt besser. Man arbeitet hart, um wieder an die 100 Prozent heranzukommen.

War es Glück im Unglück – wenn man bei einer Operation überhaupt davon sprechen kann – dass es relativ früh in der Saison passiert ist, um in der entscheidenden Phase jetzt voll angreifen zu können?
Vielleicht. Die wichtigste Zeit kommt am Ende einer Saison. Da muss man fit sein und es wäre extrem bitter, wenn man verletzungsbedingt die Playoffs verpasst. Von daher war es der günstigere Zeitpunkt, dass es früher passiert ist.

Im EC-Jersey wurdest Du zum DEL2-Verteidiger des Jahres 2021/22 gekürt. Welche Bedeutung hatte diese Auszeichnung für Dich?
Ehre, Stolz, Dankbarkeit. So etwas ist vorher nie passiert.

Der Name Schmidt ist hierzulande nicht der seltenste. Wo liegen Deine familiären Wurzeln in Deutschland?
Mein Großvater war Soldat im Zweiten Weltkrieg. Mein Vater ist in Stuttgart geboren und als er drei Monate alt war, wanderte die Familie 1951 nach Hamilton in der Nähe von Toronto aus. Ich bin in Markham geboren und aufgewachsen. Cousins habe ich in Heilbronn und Hamburg.

Hattest Du von Anfang an die kanadische und deutsche Staatsangehörigkeit?
Nein, den deutschen Pass habe ich erst 2010 zu Beginn meiner ersten Saison in Hannover erhalten.

Du bist in Markham, Ontario, in der Umgebung der kanadischen Metropole Toronto geboren. War es von Anfang an klar, dass Du ein Eishockeyspieler wirst?
Ja, auch meine drei älteren Brüder haben Eishockey gespielt. Einer von ihnen, Matt, war als Profi aktiv und stand in der East Coast Hockey League für Toledo, Las Vegas, Utah und Augusta auf dem Eis.

Die Toronto Maple Leafs sind wie der FC Bayern in Deutschland. Entweder man liebt sie oder das Gegenteil ist der Fall. Zu welcher Gruppe gehörst Du?
Ich liebe sie, definitiv. Sie sind der NHL-Club aus meiner Heimatregion. Es ist unglaublich, wie viele Menschen die Maple Leafs unterstützen, mitfiebern, die Spiele anschauen.

Beim Gewinn der Junior-A-Meisterschaft mit den St. Michael’s Buzzers hast Du mit einem späteren Stanley-Cup-Sieger zusammengespielt …
Stimmt. Mit Andrew Cogliano, der 2022 mit Colorado den Stanley-Cup gewann.

Wer war Dein Idol in der Jugendzeit?
Niemand spezielles. Aber ich mochte die Art, wie Scott Niedermayer spielte.

Deine Karriere-Anfänge führten Dich über die Junioren-Liga in Ontario in die Vereinigten Staaten nach Ohio an die Bowling Green State University. Warum hast Du diesen Weg gewählt?
An der Bowling Green State University hat Eishockey eine lange Tradition und eine große Bedeutung mit einem wettbewerbsfähigen Team – den Falcons – in einer starken Conference. Eine perfekte Wahl, nur fünf Autostunden entfernt von Toronto.

Die Wheeling Nailers in der ECHL waren Deine erste Profi-Station. Hattest Du auch Einladungen zu NHL- oder AHL-Camps?
Ja, bei den Washington Capitals und bei Wilkes-Barre/Scranton, dem AHL-Farmteam der Pittsburgh Penguins.

Nach einer Saison bist Du gleich nach Europa gegangen – zum Zweitligisten Hannover Indians. Wie hast Du den Sprung aus Nordamerika nach Niedersachsen erlebt?
Ich habe mich frühzeitig entschieden, den Weg nach Deutschland zu gehen. Es war schwierig, einen Job zu finden. Relativ spät, Ende Juli, kam das Angebot aus Hannover, das ich angenommen habe. Im September erhielt ich ziemlich schnell den deutschen Pass. Ich wusste nicht viel über das Eishockey hier und es war zuerst ein kleiner Kulturschock. Ich kannte nur T. J. Fox, meinen Teamkollegen aus der Zeit in Wheeling. Wir hatten in Hannover aber eine gute Gruppe von jungen Spielern und es hat dann viel Spaß gemacht, dort zu sein.

Du hast sieben Jahre in der DEL (Hamburg Freezers, Iserlohn Roosters) und drei Spielzeiten in der multinationalen höchsten Liga Österreichs (Dornbirn Bulldogs, EC Villacher SV) gespielt. Wie beschreibst Du die Entwicklung, insbesondere in Deutschland?
Ich denke, die DEL ist über die letzten 15 Jahre ständig besser geworden und hat sich gut entwickelt. Immer mehr junge Deutsche schaffen den Sprung in die NHL. Das ist auch ein Verdienst der Liga.

Mit Hamburg hast Du in der European Trophy gespielt, dem Vorläufer der Champions Hockey League. Welche Erinnerungen verbindest Du damit?
Zu dieser Zeit hatte der Wettbewerb noch nicht die Bedeutung wie heute. Es war zwar das gleiche Format, aber eher eine Saison-Vorbereitung mit sehr starken Gegnern aus Schweden, Finnland oder anderen europäischen Ländern. Es war schon cool, sich mit solchen Teams zu messen.

Wer war Dein außergewöhnlichster Mitspieler?
Jamie Benn, heute Dallas Stars. Er war während des NHL-Lockouts 2012/13 in Hamburg.

Und Dein bester Gegenspieler?
Da gab es einige. Zum Beispiel Sidney Crosby oder Connor McDavid.

Kevin, wir danken Dir für das Gespräch und freuen uns, dass Du auch nächste Saison das Trikot des EC Bad Nauheim trägst.

Foto: Chuc.de