Unsere stillen Helden – Folge 4: Thomas König
Die 54. Saison! Seit 1968 geht Thomas König zum Eishockey. Geschätzt 1000 Spiele hat er live im heutigen Colonel-Knight-Stadion verfolgt. Der 67-Jährige kennt das traditionsreiche Domizil der Roten Teufel noch ohne Dach und hat die Bundesliga-Glanzzeiten des VfL Mitte der siebziger Jahre miterlebt. In Kreisen der Roten Teufel kennt man ihn als Redaktionsmitglied der Stadionzeitung, als Betreiber einer privaten Homepage (TECK’s Spielwiese) und Co-Autor der Bücher „Höllenspaß & Höllenqual“ und „ROT-WEISSE-Leidenschaft“. Kürzlich veröffentlichte Thomas, der in Ober-Mörlen aufgewachsen ist, seine erste eigene Publikation: „Der Sechste Tag“ heißt ein spannender Science-Fiction-Roman, der auf 776 Seiten unterhaltsamen Lesestoff bietet. Wir haben uns mit dem Diplom-Informatiker im (Un-)Ruhestand über Apollo 7, kultige Sci-Fi-Serien, eine Garelli, die MCC-Kappensitzung 1982 oder auch den Achillessehnen-Anriss 2013 unterhalten.
Thomas, Du warst hochgerechnet bei 1000 VfL- und EC-Spielen im Stadion. Wie kommt diese unglaubliche Zahl zustande?
Ich habe keine Statistik geführt. Seit 1968 gehe ich zum Eishockey, damals noch im Freiluftstadion. Das sind jetzt 54 Spielzeiten. Geht man davon aus, dass es pro Saison bestimmt 15 bis 20 Partien – eingeschlossen Freundschafts- und Vorbereitungsspiele – waren, kommt das nahe an die 1000 Heimspiele ran. Dabei ist auch berücksichtigt, dass der Terminkalender früher nicht so vollgepackt war.
Kannst Du Dich noch an Dein erstes Spiel erinnern?
Sehr gut. Ich war 13 Jahre alt, als ich erstmals mitdurfte. Gegner war der Mannheimer ERC und beim VfL spielten Cracks wie Willi Winkes, Walter Arnold, Horst und Rainer Philipp. Es herrschte tolle Stimmung und Nauheim gewann etwas überraschend mit 6:2. Ab da war ich infiziert und – wenn möglich – immer dabei, wenn es möglich war. Übrigens, das Datum war der 11. Oktober 1968, der Tag, an dem zum ersten Mal mit Apollo 7 drei Astronauten gleichzeitig ins All flogen. Die Raumfahrt war zu der Zeit mein alles überragendes Hobby
Hattest Du von Anfang an eine Dauerkarte und wo hat man Dich im Stadion angetroffen?
Nein, erst ab den 2000er-Jahren. Vorstandsmitglied Peter Weissermel offerierte damals ein sehr, sehr günstige Familienkarte. Weil meine beiden Kinder regelmäßig mitgingen, war das eine super Gelegenheit, den Einstieg zu finden. Mein „Stammplatz“ im Stadion hat sich mehrfach geändert. Angefangen habe ich auf den Stehrängen hinter der Mannschaftsbank. Dort stand mein Vater und wir haben an dieser Stelle viele VfL-Jahre mit Freunden und meinen Cousins verbracht. Von Ober-Mörlen aus sind wir drei Stunden vor dem Spiel losmarschiert – immer entlang der Usa. Heimgekommen sind wir in der Regel im Auto, weil uns immer jemand mitgenommen hat.
Später bist Du in die Kurve gewechselt …
Stimmt. Und ich fuhr mit meiner Garelli hin, einem Neckermann-Kleinkraftrad, das weniger als 1000 DM kostete. Da versammelte sich eine Clique aus Ober-Mörlen. Unter anderen auch Adel El-Sayed und seine Frau. Wieder ein paar Jahre danach, als ich meinen Sohn Daniel mitnahm – inklusive einer leeren Wasserkiste zum Draufstellen. Er ist heute genauso Eishockey-verrückt wie ich damals. Bis vor zwei Jahren war das mein fester Platz und ich kenne da fast alle. In den Drittelpausen gehe ich in die Ecke, um zu fachsimpeln. Mittlerweile habe ich einen Sitzplatz. Man wird halt nicht jünger. Hoffentlich darf ich mir irgendwann einen Platz in der neuen Arena aussuchen.
Bist Du auch zu Auswärtsspielen mitgefahren?
Selten, aber ab und zu – beispielsweise nach Mannheim, Herne oder Dresden. Selbst in die „Löwen-Sauna“ habe ich mich schon gewagt. Ob man‘s glaubt oder nicht: Ich war noch nie bei einem Sonderzug dabei. Das ist nicht so mein Ding.
Ist Dir ein besonderes Spiel oder Ereignis im Gedächtnis geblieben?
Da gibt es so viel … zu VfL-Zeiten – und immer wieder erwähnt – die grandiose 7:8-Niederlage gegen Riessersee nach einer 6:1-Führung. Oder das Match gegen die DEG, als wir im letzten Drittel 0:4 hinten lagen und dann dem Ex-Teufel Rainer Makatsch noch vier Tore eingeschenkt haben. Oder der Thurn-und-Taxis-Pokal-Sieg im Hochsommer 1974 gegen Polens Nationalmannschaft. Ganz oben auf der Emotionsskala in der EC-Ära steht die Saison 1998/99 mit der ersten Carnevale-Entlassung. So eine intensive Runde mit allen Gefühlsrichtungen – von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt!
Wie hast Du das Frühjahr 1982 mit dem Konkurs des VfL erlebt?
Ach, hör mir auf! 1981 habe ich geheiratet und bin von Ober-Mörlen nach Darmstadt gezogen, weil ich dort studierte. An den Wochenenden waren wir aber meistens zu Hause. Meine Frau ist auch aus Ober-Mörlen und so bin ich weiter zum Eishockey. Im Winter 1982, als alles auf der Kippe stand, konnte ich das entscheidende Spiel nur am Radio verfolgen. Denn zeitgleich lief die Kappensitzung beim MCC – für Ober-Mörler eine Pflichtveranstaltung! Ich habe aber mehr im Auto gesessen und Radio gehört, um die Zwischenergebnisse mitzubekommen. Nach dieser vorentscheidenden Partie gegen Schwenningen war meine Frau sauer, weil ich nicht in den Fastnachtssaal kam. Ich war sauer, weil der VfL 2:7 verloren hatte und die allgemeine Stimmung in den Keller rutschte – einfach ein „Sch…-Wochenende“.
War es für Dich klar, dass Du nach dem Bundesliga-Aus weiterhin zum Eishockey am Kurpark gehst?
Total. Nauheimer Eishockey ohne mich wollte, konnte und kann ich mir nicht vorstellen. Selbst von Darmstadt aus bin ich ins Stadion gefahren. In der Landesliga zwar nicht mehr ganz so regelmäßig, aber dafür manchmal auch auswärts in der näheren Umgebung. Zum Beispiel nach Rödermark. Das Stadion war komplett in rot-weißer Hand.
Welches war das schönste Erlebnis rund um die Roten Teufel?
Naja, DAS schönste Erlebnis war ganz sicher die Oberliga-Meisterschaft in Kassel. Überragend. Dieses Spiel habe ich beim Public Viewing im CKS gesehen. Als das Bild ausfiel, machten alle möglichen Gerüchte die Runde, aber dann kam Brad Miller … Killer Miller … ich liebe ihn noch heute dafür. Beim Siegtor, das ein unbeschreibliches Glücksgefühl auslöste, bin ich hochgesprungen, dann unglücklich auf die Stufenkante geknallt und zog mir einen Achillessehen-Anriss zu. Wochenlang trug ich eine Schiene und humpelte durch die Gegend. Eine „Ehrenverletzung“, die ich nie bereute! Nur wer leidet wie 1982 kann sich auch so freuen wie 2013. Das ist halt das Schicksal eines Fans.
Ist Dir noch ein außergewöhnliches Spiel oder Ereignis in besonderer Erinnerung geblieben?
Der Bundesliga-Auftaktsieg 1978 in Mannheim. Der MERC war gerade wieder aufgestiegen und hatte das erste Spiel dort im Friedrichspark. Wir sind mit meinem Kadett C runtergebraust. Mein zehnjähriger Cousin war ebenfalls dabei – und die Apfelsaftkiste, damit er etwas sehen konnte. Bein Einlass gab es ein fürchterliches Gedränge und mir wurde der Kasten aus der Hand gerissen. Der VfL mit überragenden Akteuren wie Timo Sutinen, Miro Slezak oder Paul Langner gewann 10:2, ein Abend, der immer im Kopf verankert bleibt.
Hattest Du zu irgendeinem Zeitpunkt mal „die Nase voll“ vom EC?
Ja, auch das gab es. In der Saison 2000/01 war ich dermaßen genervt, dass ich nach Weihnachten kein Spiel mehr besucht habe. Joshua Oort habe ich nie live gesehen, weil mir das Verheizen der jungen Spieler durch die damalige Geschäftsführung extrem gestunken hat. Das habe ich boykottiert! Das ist selbst in der Chaos-Saison 2005/06 in der Oberliga nicht mehr der Fall gewesen – da habe ich mich masochistisch durchgequält. Und auch etwas später, als unter Wolfgang Kurz alles den Bach runterzugehen schien und alle zurückgetreten sind, habe ich mich nicht vom Club abgewendet. Mir war es damals wichtig, dass es weitergeht. Zu dieser Zeit bin ich voll in die Redaktion der Stadionzeitung ECNews eingestiegen.
Was machst Du in deiner Freizeit, wenn keine Eishockey-Termine anstehen?
Ich habe zu viele Hobbys. Ich mache Musik, erst im Fanfarenzug beim MCC Ober-Mörlen und dann spielte ich lange Gitarre und Mandoline in einer Bluegrass-Band in Darmstadt. Früher habe ich auch viel gemalt und gezeichnet, heute bin ich eher der Holzbearbeiter, habe mir eine Drechselbank zugelegt. Nach wie vor hocke ich zu oft am PC. Zuletzt habe meinen Roman „Der Sechste Tag“ veröffentlicht. Die Raumfahrt und Sci-Fi-Sendungen wie Raumpatrouille waren in jungen Jahren mein allesüberragendes Hobby. Ansonsten verbringe ich die Zeit mit der Familie und inzwischen vier Enkeln, die übrigens auch schon alle beim Eishockey dabei waren.
Wer sind Deine persönlichen Starting Six?
Eine sehr schwere Wahl. Im Tor Jason Elliott oder „Bibi“ Appel, die Verteidigung mit Svein Enok Nörstebö und Serge Lajoie. Im Sturm noch immer Rainer Philipp, dann Greg Evtushevski und Dustin Sylvester.
Thomas, Danke für das Gespräch und die wunderbare Eishockey-Zeitreise.
Übrigens, der neue Roman von Thomas König ist erhältlich als Taschenbuch (ISBN: 978-3-756537-79-2; Preis: 23,99 €) oder als eBook (ISBN: 978-3-756537-76-1; 1,6 MB; Preis: 3,99 €) und bestellbar über epubli.de, Amazon, Weltbild, Thalia Hugendubel oder jeder Buchhandlung.