Unsere stillen Helden – Folge 6: Michael Ortwein

Der eine steht im Vordergrund, weil er unseren Verein seit langen Jahren repräsentiert. Der andere arbeitet im Hintergrund, hält aber die Fäden in der Hand, wenn es unter anderem um die TV-Übertragungen aus dem Colonel-Knight-Stadion geht. Michael Ortwein, Bruder von Andreas Ortwein, hat über alle die Jahre dafür gesorgt, dass sich der EC Bad Nauheim in Sachen Technik stets weiter entwickelt hat. Er ist immer da, notfalls auch mit einer fetten Erkältung. Inzwischen schart er ein tolles Team um sich, das eine ebenso sensationelle wie ehrenamtliche Arbeit leistet. Wir haben mit ihm gesprochen, einem unserer stillen Helden.

Michael, seit wann gehst Du zum EC Bad Nauheim und wie bist Du überhaupt ins Stadion gekommen?

Wir sind drei Geschwister und als Ältester habe ich ab und zu meine beiden jüngeren Geschwister ins Stadion gefahren oder abgeholt. Ich selbst bin dann dort in der Südkurve direkt hinter dem Tor irgendwann “hängen geblieben” – Das müsste im Laufe in der Saison 2000/2001 gewesen sein.

Du hattest schon einige Jobs beim EC. Erzähl bitte mal, was Du alles getan hast, bevor das „Zeitalter“ SpradeTV im Jahr 2015 begonnen hat.

Ich hatte am 18.03.2001 gegen Straubing (7:4 Sieg) eine digitale (!) Videokamera dabei und hatte aus der Hintertorperspektive Christian Berger, der damals schon die Homepage gepflegt hat, ein paar kleine Videoschnipsel angeboten. So haben damals die ersten von Videos mir (320 x 240 Pixel groß) den Weg auf die Homepage gefunden.

Da Christian die Homepage, die überhaupt eine der wenigen vereinseigenen Webseiten im deutschen Eishockey damals war, noch selbst bezahlt hat, konnte ich über meinen neuen Arbeitgeber erreichen, dass der Webauftritt zukünftig als Sponsoringleitung erbracht wird. Ab da haben wir uns gemeinsam um den Homepage-Auftritt mit Liveticker, Fotos, Videos und das Fan-Forum gekümmert. Kurze Zeit später hatten wir das erste Content Management System mit eigenem Redaktionssystem im Einsatz, nachdem die Homepage vorher noch aus einzelnen HTML-Seiten bestanden hat und mit Microsoft FrontPage bearbeitet wurde.

Zu dieser Zeit musste man noch eine kostenpflichtige Telefon-Hotline anrufen, um das Ergebnis der EC-Spiele zu erfahren. Wenn man im Stadion war und die Endergebnisse der anderen Partien wissen wollte, ging es nach dem Spiel zu Dieter Lang ins Stadion-Restaurant, hier lief der BR-Videotext mit den Ergebnissen der ESBG-Bundesliga.

Christian und ich haben uns darauf konzentriert, von jedem Heimspiel ein geschnittenes und kommentiertes Video ins Internet zu stellen. YouTube (damals noch neu) mit einer Beschränkung von maximal zehn Minuten pro Video versehen, daher musste ich manchmal zwei Videos hochladen.

Im Laufe der Zeit hatte ich mich neben der Betreuung der offiziellen Homepage & viel später auch der Social Media Kanäle, den Videobeiträgen, Grafikarbeiten, Datenpflege, Mailings, Organisation und Veranstaltungen rund um den Spielbetrieb sowie die Netzwerkbetreuung gekümmert.

Wie waren die Anfänge mit SpradeTV? Gab es viele Probleme?

Den unmittelbaren Start von SpradeTV habe ich aus der Zuschauer-Perspektive erlebt. Ich war zu dem Zeitpunkt im Sport Stacking Verein unserer beiden Kinder im Vorstand aktiv und habe mich dort ebenfalls um Organisation von Veranstaltungen, Homepage, Social Media gekümmert. Wir waren viel unterwegs zu Turnieren in Deutschland, Europa, den Weltmeisterschaften u.a. in USA & Kanada und zu TV-Auftritten. Ich habe aber schon zu Beginn meinem Bruder Andreas immer mal wieder mit bei Technik-Fragen aus der Ferne ausgeholfen.

Mein leider viel zu früh verstorbener EC/SpradeTV-Kollege Matthias Humboldt hat mich dann in der zweiten SpradeTV Saison dazu geholt. Gerade am Anfang, aber auch heute immer noch, ist es sehr wichtig, KnowHow aufzubauen, denn keiner von uns macht das hauptberuflich. Wir versuchen auch immer mal in den Aufgaben zu rotieren. Das verbessert den persönlichen Überblick und bietet uns trotz kleiner Mannschaft eine gewisse Redundanz.

Was hat sich im Laufe der inzwischen sieben Jahre verändert?

Wir versuchen das Beste aus den Möglichkeiten zu machen, die uns unser altehrwürdiges Stadion bietet. Wir sind aufgrund des fehlenden Platzes und Infrastruktur begrenzt, versuchen aber immer mal, kleine Verbesserungen einzubauen. Die Bandenkamera und die Interviews sind mittlerweile fester Standard. Set kurzem dürfen sich die Fans über zwei neue Hintertor-Kameraperspektiven freuen.

Hättest Du damals gedacht, dass sich SpradeTV etablieren könnte?

Fußball ist in den Medien nach meinem Geschmack überpräsent, hier kommen andere Sportarten generell einfach viel zu kurz. Daher ist es wichtig, dass sich mit SpradeTV eine feste Größe in Sachen Eishockeyübertragung etabliert hat. Man darf auch nicht vergessen, dass wir mittlerweile einen nicht unerheblichen Betrag zum Saison-Etat über das Produkt SpradeTV für den Club erwirtschaften. Außerdem haben wir bei den Geisterspielen gesehen, wie wichtig hier SpradeTV ist, um die Bindung zum Fan zu erhalten.

Inzwischen ist Dein Team angewachsen. Wie viele Mitarbeiter/innen seid ihr?

Jannik Weiser und ich teilen uns seit etwa zwei Jahren den Posten auf dem “Regiestuhl”. Neben uns in der “Regie-Assistenz/Scoreboard” sitzt seit 3 Jahren meine jüngere Tochter Lara und jetzt neu  ab und zu ihre Cousine Hanna Amos. Ich selbst stehe aber auch gerne immer mal an der Kamera, hier haben wir aber mit Mario Schneider und bis letzte Saison meiner ältere Tochter Lisa eine hervorragende Besetzung gefunden. An der Bande wechseln sich Erik Armenat, Angie Humboldt, Michael Wollner und Sarah Hohmann ab. Für die Interviews gehen Alina Berg und Isabella Bergweiler oder einer unsere Kameraleute mit aufs Eis.

Schildere bitte mal einen „normalen“ Heimspieltag aus Deiner Sicht.

Am Spieltag bin ich mindestens zwei Stunden (meistens aber doch schon etwas früher) im Stadion. Die PCs werden gestartet, Kisten und Taschen in den Innenbereich getragen, die Kameras aufgebaut, eingestellt, kurzer Funktionstest von Bild und Ton. Man schaut beim Videobeweis an der Schiedsrichterkabine vorbei. Anschließend werden in der Regie spieltagspezifischen Werbung, Titel & Einblendungen, Interviews eingestellt. Manchmal gibt es von SpradeTV noch technische Änderungen zum Spieltag, die man in das Setup übernehmen muss. Ein kurzer Check, dann wird der Stream  spätestens eine Stunde vor Spielbeginn live geschaltet. Hier wird vom SpradeTV-Support nochmal geprüft, ob unser Signal auch fehlerfrei und stabil anliegt. Dann kommt Christian, wir sprechen manchmal noch einige Besonderheiten zum Spiel ab. Bei einem “Routinespiel” reicht da auch mal eine knappe Minute, man kennt sich schließlich schon lang genug. 🙂 Dann gibt es noch mal einen kurzen Soundcheck vom Kommentatorenplatz und los geht’s mit der “richtigen” Liveübertragung. Dann gehts es knapp 2,5 Stunden mit voller Konzentration an die Übertragung des Spiels (Kamera-Wechsel, Wiederholungen, Statistiken & Titeleinblendungen, Highlights, Interviews, Werbung). Das kann gerade bei Freitagsspielen schonmal anstrengend werden, schließlich sind wir alle berufstätig und haben schon einen kompletten Arbeitstag hinter uns. Nach Spielende kommen die Trainer zur Pressekonferenz, danach endet der Stream und wir bauen alles wieder ab. In Summe bin ich dann fünf bis sechs Stunden vor Ort.

Fühlst Du Dich während der Übertragungen wie ein Regisseur?

Ganz ehrlich, man drückt viele Knöpfe mittlerweile automatisch und klickt sich konzentriert durch den Ablauf der Streaming Software. Fühlen tut man sich beim Spiel aber als Fan!! Trotzdem ist immer im Hinterkopf, dass man auch schöne Bilder für den Auswärtsfan (die einen großen Teil der Buchungen ausmachen) produziert!

Was motiviert Dich und was wäre Dein größter Wunsch?

Ich glaube, wir alle hängen an unserem CKS, aber wir alle hängen noch viel mehr an dem Eishockey-Standort Bad Nauheim. Daher muss hier klar der Fokus auf die neue Arena gelegt werden. Wir alle wollen und müssen den Standort in diese Richtung entwickeln. Ich glaube, das sollte schon Motivation genug sein!

Die schönste Saison?

2012/2013!  Vielleicht nicht komplett die schönste Saison – aber die Saison mit dem besten Abschluss, den man sich vorstellen kann. Da es zu diesem Zeitpunkt seitens der Geschäftsführung Bestrebungen gab, mit denen viele damals nicht einverstanden waren. Ich habe damals den Dienst kurzzeitig mit vielen anderen quittiert, habe aber die kompletten Spiele als Zuschauer im Stadion und natürlich auch mit dem Entscheidungsspiel in Kassel aus dem Fanblock verfolgt. Auf dem legendären Foto der Siegerehrung vor dem Fanblock bin ich bestimmt im Hintergrund irgendwo (mit Kamera) zu sehen 😉.

Deine persönliche Starting Six?

Das ist echt schwer, aber in Erinnerung an Fred Caroll (mit dem ich viel “Videozeit” verbracht habe) würde ich hier einen Teil seiner langjährigen Mannschaft “nominieren”:

Markus Keller, Alexander Baum, Christian Franz, Lanny Gare, Matthias Baldys, Kevin Lavallee. Co-Trainer: Marcus Jehner

Dein kurioses Spiel?

In der Hessenliga-Saison 2004/2005 mussten wir in Wiesbaden auf einem Grashügel (welcher die Tribüne war) einmal warten, bis die Sonne untergegangen war – da das Eis geschmolzen war,

Das schlimmste Spiel?

Dazu gehört mit Sicherheit das Halbfinal-Aus 2003/2004 mit der anschließenden Ungewissheit, wie es und ob es überhaupt weitergeht.

Lieber Michael, großen Dank an Dich und Dein Team für den überragenden Einsatz über viele Jahre hinweg.

 

Foto: Chuc.de