Unsere stillen Helden – Folge 8: Ingrid Sehr

Ingrid Sehr: Wer hat an der Uhr gedreht?

Ist es wirklich schon so spät? Frei nach dem Ohrwurm aus der Paulchen-Panther-Trickfilmserie könnte man ihre Aufgaben so zusammenfassen: Die laufende Spielzeit im Auge behalten, bei Unterbrechungen stoppen, Tore sowie Strafzeiten „Heim“ und „Gäste“ eingeben, darauf achten, dass die Zeitfenster für das Warmup, für die Eisaufbereitung, Drittelpausen, Powerbreaks und Timeouts penibel eingehalten werden. Das sind wesentliche Dinge, die Ingrid Sehr seit mindestens 17 Jahren ehrenamtlich erledigt. Die Bürokauffrau, die in Bad Nauheim arbeitet, ist ein bewährter, verlässlicher und sympathischer Bestandteil des DEL2-Zeitnahme-Teams der Roten Teufel.

Ingrid, herzlichen Glückwunsch! Du hast jetzt den offiziellen „Omi-Status“. Wie fühlt sich das an?
Dankeschön, emotional wie im Rausch. Die kleine Yara ist die Tochter meines Sohnes Max und seiner Freundin Lisa. Das war ein wunderbares Ereignis. Übrigens, als Max noch im Knaben- oder Schüler-Alter war, steckte er im Kostüm des „Teufelchens“ und hat unsere Fans vor den Spielen angeheizt.

Deine zwei Söhne und deine Tochter spielten im EC-Nachwuchs. Warum bist Du beim Zeitnahme-Team gelandet und wie lange bist Du schon dabei?
Ich habe kürzlich beim Umzug vom ersten Stock ins Erdgeschoss in unserem Haus in Oppershofen eine Adressliste des Zeitnahme-Teams von 2006 gefunden. So lange bin ich also mindestens schon dabei, ganz genau weiß ich es nicht mehr. Über Doris Winkes bin ich zu diesem Job gekommen. Unsere Kinder waren zusammen beim Eishockey-Training und den Spielen. Da haben wir bereits gemeinsam die Zeitnahme gemacht. Anfangs bin ich zunächst an der Strafbank eingesprungen und später zur Uhr gewechselt. Mein ältester Sohn hat übrigens mit unserem heutigen Kapitän Marc El-Sayed zusammengespielt.

Du bist für die offizielle Spieluhr verantwortlich. Welche Aufgaben hast Du während der 60 Spielminuten – plus möglicher Verlängerung und Penaltyschießen?
Eine Stunde vor Spielbeginn bin ich im Stadion, um die Uhr für das Warmup einzustellen. Wenn der Starting-6-Torwart – in der Regel ist das Felix Bick – als erster die Eisfläche betritt, drücke ich auf den Knopf. Dann läuft die 20-minütige Aufwärmphase, die immer mit Musik unterlegt ist. Anschließend kommt die Zamboni zur Eisaufbereitung. Wenn das Spiel startet, mache ich in der Regel die Uhr. Dazu gehört, die Tore ins System einzupflegen, den Start-/Stopp-Knopf zu drücken, mögliche Timeouts zu registrieren und bei „Personalmangel“ auch die Strafzeiten einzugeben. Wenn wir personell „dünn“ besetzt sind, müssen alle Aufgaben aufgeteilt werden. Wir harmonieren gut und konnten bislang alle Engpässe meistern.

Wann wird es hektisch?
Wenn viele Strafzeiten in kurzer Zeit zusammenkommen. Dann kann es richtig turbulent werden. Wir helfen uns gegenseitig, um stets den Überblick zu behalten und unterstützen flexibel, wenn es an einer Stelle mal zu stressig werden könnte. Und – bei einem knappen Resultat – müssen wir am Schluss besonders konzentriert sein, bis die letzte Sekunde abgelaufen ist. Wir bleiben immer neutral und objektiv. Man kann nicht manipulieren, auch wenn es laut und hektisch ist. Es wird ja alles auf Video dokumentiert und kann im Zweifelsfall überprüft werden.

Welche besonders kuriosen Situationen hast Du erlebt?
Beim Dezember-Heimspiel gegen Dresden habe ich irrtümlich ein gegnerisches Tor für den EC eingetragen. Während der Fehler-Korrektur ist die Uhr weitergelaufen und die Eislöwen erzielten gleich den nächsten Treffer. Das ist mir bisher noch nie passiert. Nach Ansicht der Videobilder konnte ermittelt werden, wie lange die Uhr während der Unterbrechung gelaufen ist. Es waren 13 Sekunden, die nachträglich wieder hinzugefügt wurden. In einer solchen Situation kommt man schon mal ins Schwitzen.

Fällt Dir noch ein ungewöhnliches Ereignis ein?
Einmal ist ein Spieler von uns – das war Marco Ludwig – in Richtung Strafbank gecheckt worden. Genau in diesem Moment lief die Strafzeit ab und die Tür wurde geöffnet. Das war eine absolut unglückliche Szene, die mit einer Gesichtsverletzung für Ludwig endete.

Was machst Du, wenn die Uhr einmal ausfällt?
Oh je. Gott sei Dank ist es noch nie passiert. Notfalls müssten wir dann manuell mit der Stoppuhr arbeiten. Ich hoffe, dass dieser Fall nicht vorkommt.

Was fasziniert Dich am Eishockey?
Es ist ein schneller, begeisternder, spannender Sport. Bis zum Ende kann immer alles Mögliche passieren. Die Stimmung in unserem urigen Stadion ist faszinierend, auch wenn es mal kälter ist. Da hilft aber ein heißer Tee, den ich traditionsgemäß immer von zu Hause für unser Team mitbringe. Irgendwie ist es einfach schön in Bad Nauheim, mir gefällt das.

Welche teuflische Tee-Mischung verwendest Du?
Eine bestimmte Tee-Sorte gibt es nicht. Das ist unterschiedlich. Es wird genommen, was gerade da ist. Ich bevorzuge gerne winterliche Rooibos-Mischungen.

Woher nimmst Du die Motivation für das Ehrenamt bei den Roten Teufeln?

Ich freue mich auf jedes Spiel. Die Mannschaft zeigt einen unglaublichen Willen. Das macht Laune. Wenn die Einstellung stimmt, ist es fast egal, ob man dann gewinnt oder verliert. Außerdem passt es mit dem Zusammenhalt im Zeitnahme-Team.

An welches Spiel wirst Du Dich immer erinnern?
An das „Winter-Derby“ im Offenbacher Fußball-Stadion am Bieberer Berg. Einfach ein spektakuläres Open-Air-Event, etwas ganz Besonderes. Und natürlich der Aufstieg 2013 in Kassel. Dieses Spiel habe ich gespannt im Internet-Livestream verfolgt.

Welches Spiel dauerte am längsten?
Im März 2006 warteten wir auf die Mannschaft aus Klostersee. Die steckten allerdings im Schneechaos auf der Autobahn fest. Wir wussten nicht, ob überhaupt gespielt werden kann. Wir warteten eine gefühlte Ewigkeit. Zum Glück waren wir an dem Abend gut besetzt, sodass ich gegen 23 Uhr nach Hause gefahren bin. Mit fast vierstündiger Verspätung ging es dann um 23:15 Uhr los, und um 1:23 Uhr nachts war das Spiel zu Ende.

Wer ist Dein Lieblings-Schiedsrichter?
Auch da bin ich komplett neutral. Alle machen ihren Job, der nicht leicht ist, in der Regel gut. Ab und zu erwischen sie halt auch mal einen schlechten Tag. Unseren Bad Nauheimer DEL-Schiedsrichter Benjamin Hoppe kenne ich schon lange. Da freue ich mich immer, wenn er uns in seiner spielfreien Zeit mal besucht.

Wer ist Dein Lieblings-Spieler?
Eigentlich mag ich alle. Aus den früheren Nachwuchszeiten gibt es einen näheren Bezug zu Marc El-Sayed. Menschlich top und ein super Spieler.

Wer sind Deine persönlichen EC-Starting-Six?
Im Tor Felix Bick. Kevin Schmidt und Allrounder Marc El-Sayed in der Verteidigung sowie vorne Andy Pauli, Taylor Vause und Fabi Herrmann.

Was machst Du im Sommer in Deiner Freizeit?
Wir fahren gerne mit dem Wohnwagen in Urlaub. Dort machen wir Fahrradtouren – mittlerweile mit dem E-Bike – und erkunden die Gegend. Vor Corona war das oft in Mecklenburg-Vorpommern, inzwischen haben wir in der Nähe von Hildesheim, wo meine Tochter Hanna wohnt, einen schönen Platz mit einem großartigen Schwimmbad gefunden. Da können wir den Urlaub gleichzeitig mit einem Familienbesuch verbinden.

Für welche anderen Hobbys bleibt auch im Winter noch Zeit?
In erster Linie für die Familie. Zuletzt gab es auch eine Menge zu renovieren im und am Haus. Mein Vorsatz ist, wieder mehr Fitness im Sport- und Skigymnastik-Verein Bad Nauheim zu machen, weil dafür in den vergangenen Monaten meistens die Zeit fehlte. Im Garten bin ich ebenfalls immer gerne zugange.

Ingrid, Danke, dass Du unseren EC seit langen Jahren mit ganz viel Herzblut unterstützt. Wir sehen uns beim nächsten Heimspiel.

Foto: Chuc.de